Region: Leipzig
Soziales

Gewaltschutz in Leipzig? Massiv in Gefahr!

Petition richtet sich an
Freistaat Sachsen (SMJusDEG), Stadt Leipzig
1.473 Unterstützende 983 in Leipzig

Sammlung beendet

1.473 Unterstützende 983 in Leipzig

Sammlung beendet

  1. Gestartet Juli 2023
  2. Sammlung beendet
  3. Einreichung vorbereiten
  4. Dialog mit Empfänger
  5. Entscheidung

Offener Brief zur Krisensituation im Gewaltschutz in Leipzig 

Sehr geehrte Stadträt*innen, sehr geehrte politische Entscheidungsträger*innen, sehr geehrte Fördermittelgeber*innen in der Stadt Leipzig und dem Freistaat Sachsen,

wir wenden uns als Beschäftigte im Gewaltschutz in Leipzig an Sie. Unsere tägliche Aufgabe ist es, Menschen in Leipzig vor Gewalt im sozialen Nahraum zu schützen und ihnen in hoch belastenden, teilweise lebensbedrohlichen Situationen Beratung und Zuflucht zu bieten. Diese Aufgabe haben wir nicht nur aus feministischer Überzeugung übernommen, sondern erfüllen damit auch stellvertretend einen staatlichen Auftrag.

Die jahrelange gute Anti-Gewalt-Arbeit in Leipzig hat dazu geführt, dass sich immer mehr Betroffene Hilfe suchen und Ansprechstellen finden – das ist ein riesiger Erfolg. Und doch ist dieser Erfolg kein Grund zur Erleichterung, denn mit den aktuell vorhandenen Ressourcen können wir diesem Bedarf nicht gerecht werden.

2021 hat Leipzig die europäische Charta für Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene festlich unterzeichnet. Damit verbunden ist die Verpflichtung, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Dieser Verpflichtung, diesem wichtigen Versprechen an die Bürger*innen der Stadt wird Leipzig allerdings aktuell nur begrenzt gerecht. Und das trotz vieler Hinweise auf den Ernst der Lage. Die Stadt Leipzig und die sächsische Staatsregierung kennen die Problemlage seit mindestens einem Jahr.

Neben den gewaltbetroffenen Erwachsenen, sind Kinder und Jugendliche, die Zeug*innen von häuslicher Gewalt werden, immer direkt betroffen und haben einen Anspruch auf Schutz- und Beratung. Dieser Anspruch ist in der Istanbul-Konvention verankert und seit 2018 geltendes Recht in Deutschland. Die Realität in Leipzig ist davon allerdings noch weit entfernt.

Wir rufen Ihnen gern die Lage bei uns im Hilfesystem ins Gedächtnis. Denn es sind keine vereinzelten Lücken, die noch provisorisch geflickt werden könnten, sondern das gesamte Gewaltschutznetz in Leipzig ist systematisch überlastet. Besonders betroffen sind die Zentrale Sofortaufnahme der Frauen*häuser Leipzig und die Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS).

Folgende konkrete Zahlen aus unserer Praxis illustrieren die Lage beispielhaft:

  • Die Zahl der polizeilichen Mitteilungen nach Einsätzen zu häuslicher Gewalt an die KIS hat sich seit 2021 mehr als verdreifacht. Die personellen Kapazitäten der KIS sind nicht annährend in diesem Umfang gestiegen.
  • In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 55 Menschen von der Polizei oder der KIS mit dem Merkmal „Hochrisiko“ versehen. Dies bedeutet, die akute Gefahr einer schweren Verletzung oder Tötung (Feminizid) stand im Raum.
  • Die KIS konnte im ersten Halbjahr 2023 242 Hilfesuchende, die über die Polizei gemeldet wurden und 259 Betroffene, die sich selbst an die KIS gewandt haben, nicht beraten.

 

  • Für das Jahr 2022 wurden allein in der Sofortaufnahme 248 Abweisungen mit 315 Kindern dokumentiert. Die Perspektive sieht düster aus: allein im ersten Halbjahr 2023 gab es bereits 168 abgewiesene Frauen und 152 abgewiesene Kinder (Stand 26.6.23).
  • Der Bedarf an Schutzplätzen ist weiterhin nicht gedeckt. In Leipzig fehlen neun weitere Plätze in Schutzeinrichtungen, um allein die Mindestanforderungen der Istanbul-Konvention zu erfüllen.

 

Begründung

Wir richten uns an Sie, weil sich dieser Zustand ändern muss.

Wir wollen nicht akzeptieren, dass wir jede Woche Hilfesuchende abweisen müssen.

Wir nehmen nicht hin, dass von Gewalt betroffene Frauen und Kinder keinen Schutzraum finden.

Wir können nicht still dabei zusehen, wie ihnen dadurch das Recht auf ein gewaltfreies Leben verwehrt wird.

Die aktuelle prekäre Lage stellt ein großes Sicherheitsrisiko für von Gewalt betroffene Menschen dar und hat vielfältige schwerwiegende Folgen auch für die Zivilgesellschaft in Leipzig.

Unser Ziel ist es, dass alle Betroffenen in Leipzig Schutz und Beratung bekommen. Wir wissen, dass sich diese Aufgabe mit dem Einsatz ausreichender Mittel bewältigen lässt. Wir stellen uns dieser Aufgabe, trotz prekärer Bedingungen, Tag für Tag. Es ist politische Verantwortung, sicherzustellen, dass dieses Ziel erreicht wird. Wir sind nicht länger bereit, diesen Mangel an Verantwortungsübernahme zu Lasten der hilfesuchenden Menschen und unserer eigenen Gesundheit zu kompensieren. Wir geben diese Verantwortung hiermit an die Stadt Leipzig und den Freistaat Sachsen zurück und fordern -

kurzfristig, zur Beendigung der akuten Notsituation:

Für die Zentrale Sofortaufnahme der Frauen*häuser

·        Aufstockung der Sozialarbeit in der Sofortaufnahme um 34 Stunden/Woche

·        Aufstockung der Verwaltungsstunden in der Sofortaufnahme um 10 Stunden/Woche

·        Aufstockung der Leitungsstunden in der Sofortaufnahme um 10 Stunden/Woche

·        eine Stelle für eine Erzieherin bzw. Kinder- und Jugendfachkraft im Umfang von 30h/Woche

Weder die Zentrale Sofortaufnahme noch das 4. Frauen*- und Kinderschutzhaus verfügen über eine Kinder- und Jugendfachkraft

Für die Koordinierung- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking

·        Aufstockung der Beratungskapazitäten in der KIS um mind. 2 VZÄ in der Erwachsenenberatung und 1 VZÄ in der Kinder- und Jugendberatung

·        Teamassistenz mit 0,75 VZÄ für administrative Tätigkeiten

·        1 VZÄ für die langjährige erfolgreiche Netzwerkarbeit

·        Finanzierung entsprechender zusätzlicher Räumlichkeiten

Langfristig, für einen bedarfsgerechten Gewaltschutz in Leipzig:

·        dynamischer Ausbau der Beratungskapazitäten der Interventionsstelle entsprechend der jeweiligen Anzahl an Hilfesuchenden, insbesondere der Kapazitäten für die Beratung von Hochrisikofällen

·        aktive Prävention von Feminiziden durch einen bedarfsgerechten Ausbau der Hilfelandschaft

·        bezahlbarer Wohnraum für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in Leipzig

·        Etablierung gewaltsensibler Standards in familiengerichtlichen Prozessen, in Anlehnung an das Münchener Modell, damit der Gewaltschutz nicht länger durch das Umgangsrecht ausgehebelt wird

·        Vollständige Umsetzung und Einhaltung der Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention und die europäische Charta für Gleichstellung basieren auf der einfachen Erkenntnis: Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem und deswegen ist Gewaltschutz eine gesellschaftliche Aufgabe. Wirksame Prävention und gute Unterstützung dürfen kein individueller Zufall sein, sondern müssen institutionell abgesichert werden!

Lassen Sie uns gemeinsam diese Herausforderung angehen. Wir appellieren an die Stadträt*innen: werden Sie ihrer Verantwortung als kommunale Mandatsträger*innen gerecht. Helfen Sie uns, die akute Notsituation zu beenden. Setzen wir uns zudem gemeinsam auf allen politischen Ebenen für nachhaltige Lösungen ein. Die Betroffenen häuslicher Gewalt und die Gewaltschutzeinrichtungen setzen dafür auf Ihre Unterstützung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Netzwerk gegen Häusliche Gewalt und Stalking Leipzig

                                            

Zentrale Sofortaufnahme der Frauen*schutzhäuser Leipzig       4. Frauen*-& Kinderschutzhaus Leipzig

  

Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking Leipzig, Frauen für Frauen e.V.

 

Erstunterzeichner*innen:

Frauen für Frauen e.V.

Clearingstelle BIG e.V.

24/7 – Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser

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