Volksvertreter Thomas Nitzsche

Stellungnahme zur Petition Verkehrswende in Jena! Für Klimaschutz und Lebensqualität in unserer Stadt

keine, zuletzt bearbeitet am 23.11.2020

Ich stimme zu / überwiegend zu.

Sehr geehrte Mitglieder der Arbeitsgruppe Fridays for Future Jena,

besten Dank für die Gelegenheit im Rahmen der Online-Petition „Verkehrswende in Jena! Klimaschutz und Lebensqualität in unserer Stadt" als Oberbürgermeister dieser Stadt Stellung beziehen zu können und damit meinen Beitrag für einen transparenten Dialog zwischen Bürgern und Politik leisten zu können.

Gern möchte ich im Lichte des Klimaschutzes einige grundlegende Gedanken zur städtischen Verkehrspolitik darlegen. Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, dass es Ziel von Bürgerschaft und Verwaltung sein muss, die Lebensqualität aller Menschen in Jena zu steigern und dabei die vom Stadtrat beschlossenen Klimaziele nicht zu vernachlässigen. Es ist ebenso meine Aufgabe, gemeinsam mit dem Stadtrat die Funktionsfähigkeit wichtiger städtischer Systeme zu gewährleisten und den diesbezüglich notwendigen Anpassungsprozess in diesem Sinne zu gestalten.

Die Stadtverwaltung handelt dabei nach vom Stadtrat durch Beschlüsse gesteuerten Plänen. Der von Ihnen angesprochene Plan zum Ausbau der Osttangente besteht schon seit mindestens den 1990er Jahren und wurde erst 2020 vom Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt bestätigt. Es ist dabei weitgehend unumstritten, dass erst mit dem Ausbau des o.g. Straßenzugs der Weg für die Verkehrsberuhigung im östlichen Löbdergraben/Inselplatz frei gemacht wird.

Der Zeitplan der Planungen für den östlichen Löbdergraben wurde nicht „aufgeweicht". Es besteht die zwingende Notwendigkeit, dass dieser den Großteil des Umleitungsverkehrs während der Bauzeit der Osttangente aufnehmen muss. Anderenfalls werden diese Verkehre u.a. über das Nebennetz (z.B. Camsdorfer Ufer, Grietgasse u s.w.) fließen. Dies ist bei den zur Debatte stehenden Verkehrsmengen nicht vertretbar. Mit der Fertigstellung der Osttangente ist nach heutigem Sachstand ca. 2028 zu rechnen. Es ist aus diesem Grund m.E ausreichend. ab ca. 2025 über die Verkehrsberuhigung des Löbdergrabens zu entscheiden. Ob dies einen sofortigen Umbau bedeutet oder die Maßnahmen vorläufig eher verkehrsorganisatorischer Natur sein werden. muss auch im Kontext der finanziellen Lage der Stadt zum relevanten Zeitpunkt festgelegt werden.

Zum Thema Verkehrsberuhigung der Innenstadt fand am 03,11.2020 eine intensive Diskussion im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt statt. bei der auch Beiträge der relevanten Beiräte und des Ortsteilrates besprochen wurden. im Ergebnis hat der Ausschuss eine alternative Vorlage der Stadtverwaltung beschlossen.

Als passionierter Radfahrer spreche ich mich sehr für die Einrichtung von Fahrradstraßen aus. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Fahrradstraßen in Jena und es befinden sich weitere Anordnungen in Vorbereitung. Allerdings hat der Gesetzgeber die Anordnung von Fahrradstraße mit einigen Anforderungen versehen, an welche die städtische Straßenverkehrsbehörde gebunden ist. So soll z.B. in Fahrradstraßen der Radverkehr die dominante Verkehrsart sein oder zumindest soll dies absehbar sein. Wird dieser Grundsatz verletzt, befürchtet der Gesetzgeber den Verlust der Akzeptanz der Regelung. Ich spreche mich deshalb dafür aus. Fahrradstraßen nur dann anzuwenden, wenn o.g. Bedingungen erfüllt sind.

Zum Pendlerverkehr bin ich wie Sie der Meinung, dass dieser insbesondere nach Jena möglichst nicht mit dem Auto durchgeführt werden sollte. Um dieses Ziel zu unterstützen. hat sich die Stadt sehr für die Erweiterung des Verkehrsverbundes (VMT) in Richtung Rudolstadt/Saalfeld (ab Dezember 2020) eingesetzt, arbeitet aktiv mit dem Saale-Holzland-Kreis zusammen und befindet sich in Gesprächen mit den umliegenden Mittelzentren. um diese bei der Ausweisung von regionalen P+R-Parkplätzen zu unterstützen. Ein derzeit anlaufendes Forschungsprojekt soll Wege aufzeigen. diesen Prozess erfolgreicher zu gestalten. In den laufenden Planungen zur Straßenbahn Zwätzen und zum Bahnhofsvorfeld Göschwitz sind jeweils angemessene Kapazitäten für P+R berücksichtigt. Gleichzeitig sind m.E. die von Ihnen angesprochenen "Push-Maßnahmen" im Stadtrat aktuell nicht mehrheitsfähig.
Ein besonderes Anliegen von Stadtverwaltung und Jenaer Nahverkehr ist die Förderung des ÖPNV in vielen Belangen. Der Beschluss des ÖPNV-Konzepts 2030+ durch den Stadtrat im Oktober 2020 ist dabei wegweisend. Grundtenor des Konzepts ist die Erweiterung. Modernisierung und Digitalisierung des ÖPNV-Systems in Jena. Wird berücksichtigt, dass schon heute keine Gebietskörperschaft in Thüringen seinen Bürger mehr ÖPNV-Leistung als Jena anbietet (Ergebnis des jährlichen Benchmarking des Freistaates) ist dies keine Selbstverständlichkeit.

Sie sehen. dass wir in den wesentlichen Zielen von Verkehr und Klimaschutz an "einem Strang" ziehen. Möglicherweise unterscheiden sich unsere Auffassungen von Weg und Zeitplan zum Erreichen dieser Ziele. Dies sollte uns nicht davon abhalten. darüber konstruktiv miteinander zu diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Nitzsche
Oberbürgermeister

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