Soziales

Persönliche Assistenz auch von nahen Angehörigen

Petent/in nicht öffentlich
Petition richtet sich an
Bund, Länder, Bhs, Gemeinden
33 Unterstützende

Petent hat die Petition nicht eingereicht/übergeben.

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Petent hat die Petition nicht eingereicht/übergeben.

  1. Gestartet 2017
  2. Sammlung beendet
  3. Eingereicht
  4. Dialog
  5. Gescheitert

16.12.2017, 17:17

Eigentlich benutzen alle Menschen Assistenz. Die meisten reparieren z.B. ihren Fernsehapparat nicht selbst, sondern ziehen es aus Mangel an Zeit oder einschlägigen Kenntnissen vor, einen Techniker damit zu beauftragen.

Für uns Menschen mit umfassenden Behinderungen ist Assistenz noch wichtiger. Ein Beispiel: lch kann mir selbst einen Pullover anziehen, wozu ich - je nach Tageskondition - mindestens eine halbe Stunde brauche. Nachher bin ich total erschöpft und muß mich mindestens eine weitere halbe Stunde lang ausruhen. Ich brauche also insgesamt mindestens 60 min. Wenn ich einen Assistenten damit beauftrage, mir beim Pulloveranziehen zu helfen, spare ich mindestens 59 Minuten, die ich für wichtigere Tätigkeiten verwenden kann. Genauso wie technische Hilfen müsen wir auch Assistenz einsetzen und zwar so wie wir selbst es in der jeweiligen Situation für angebracht halten. Damit befinde ich mich in der gleichen Situation wie jeder andere Arbeitgeber.

Der Ausdruck "persönliche" Assistenz soll klarstellen, daß ich aus meinen individuellen Bedürfnissen heraus die Arbeitsbedingungen bestimme. Ich entscheide, wen ich als Assistent einsetze, für welche Arbeiten, wann, wo und wie die Arbeit auszuführen ist. Persönliche Assistenz bedeutet: ich bin der Chef.

"Persönliche Assistenz" hat wenig mit anderen Dienstleistungen zu tun, die unter den herkömmlichen Bezeichnungen wie "Pflege" oder "Betreuung" bekannt sind. Wieviel hat ein "Pflegeabhängiger", "Pflegebedürftiger" oder "zu Betreuender" mitzureden? Diese Ausdrücke stellen uns als passive, hilflose Pflegefälle dar im Gegensatz zu selbständigen und mündigen Bürgern. Diese Ausdrücke bezeichnen Diensleistungen, die uns als passive Objekte behandeln.

Wenige von uns haben Assistenz in einem Umfang, der ihnen zu den Lebensbedingungen verhilft, die andere Mitbürger haben. Ein Grund dafür ist die Einstellung unserer Gesellschaft gegenüber Menschen mit umfassenden Behinderungen. Für viele sind wir Sozialfälle, die man aus humanitären Gründen mitfüttern sollte. Gesetzlich verankerte, einklagbare Rechte auf Chancengleichheit haben wir keine -- wozu auch, wenn alle davon ausgehen, daß "Schwerstbehinderte" von hause aus krank und hilflos sind.

Man schiebt uns in Heime und beschützende Wohnungen ab, wo Assistenz und damit unsere Lebensqualität auf ein Minimum reduziert werden. Die Bedürfnisse der Anstalt nach reibungslosem Funktionieren bestimmen unser Leben dort und nicht die Bedürfnisse des Einzelnen. Wir werden angepaßt, bevormundet und der Eigeninitiative beraubt, bis wir dem Bild des harmlosen, freundlichen, etwas beschränkten Behinderten entsprechen, das die Offentlichkeit von uns hat.

Unsere Umwelt sieht gerne, daß wir uns so viel wie möglich abstrampeln, um unseren Alltag allein zu bewältigen. Auf diese Weise mit uns selbst beschäftigt, fallen wir dem Sozialhaushalt weniger zur Last, haben weder Zeit noch Energie, Forderungen nach Chancengleichheit mit Ausbildung, Beruf, eigener Familie und sinnvoller Freizeit zu stellen. Kein Wunder also, daß uns das Musterkrüppelchen als Vorbild hingestellt wird, das sich den ganzen Tag mit Aufstehen, Waschen, Anziehen, Kochen, Ausziehen und zu Bettgehen abmüht.

Viele von uns beschränken freiwillig die Anwendung von Assistenz und damit ihr Leben auf ein Minimum, denn Abhängigkeit von Dienstleistungen anderer wird in noch viel höherem Maße als technische Hilfsmittel von unserer Umwelt und uns selbst als Stigma gesehen.

"Selbst ist der Mann" heißt es. Diese Haltung wird von Rehafachleuten verstärkt - oder gibt es etwa Rehaeinrichtungen, in denen man lernt, wie man Aufgaben an seine Assistenten delegiert? Stattdessen bekommen wir vermittelt, daß man Behinderung wegtrainieren kann. Denjenigen, denen das nicht ganz gelingt, gesteht man die Benutzung von technischen Hilfen zu. Assistenz wird als letzter Ausweg gesehen, der auf das Notwendigste beschränkt werden sollte.

Das Ideal der Stärke, hauptsächlich als körperliche Stärke ausgelegt, wirkt auf subtile Weise als Unterdrückungs- und Selbstverachtungsmechanismus. Diesem Ideal zufolge gelte ich als schwach, hilflos und unterlegen, weil ich mir nicht selbst die Hosen hochziehen kann. Menschen mit Behinderungen zählen wie Kinder zu den Schwachen der Gesellschaft. Abhängigkeit von praktischen Handreichungen wird gleichgesetzt mit intellektueller und emotioneller Abhängigkeit von anderen. Diese Einstellung drückt sich in der Organisation der meisten heutigen Assistenzformen aus, in denen andere über unser Leben bestimmen.


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